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歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護

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Academic year: 2021

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(1)歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 153. Die Bewahrung der Dichteridentität in Goethes Autobiographie Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz Shih Yen Huang. 1. Einleitung In seiner autobiographischen Schrift Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz beschreibt Goethe seine eigenen Kriegserlebnisse zwischen 1792 und 1793. Im Verlauf des Verfassens dieser autobiographischen Schrift, von 1820 bis 1822, betreibt Goethe selbst ein intensives Quellenstudium. Die Quellen umfassen fast alle möglichen zeitgenössischen Dokumente, die sich auf den Feldzug in Frankreich 1792 und die Belagerung von Mainz 1793 beziehen, wie z.B. die Memoiren der französischen Heerführer Dumouriez und Cusine, die Schriften von Friedrich Christian Laukhard, das Ausgabebuch und die Briefe von Paul Goetze, Goethes Diener, und vor allem das Tagebuch vo Johann Conrad Wagner, dem Diener des Herzogs Karl August (vgl. Loos u. Trunz, 1981: 661–662). Trotz des Selbsterlebnisses im Krieg und des intensiven Quellenstudiums ist Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz , wie Thomas P. Saine darauf hinweist, als Augenzeugenbericht bzw. historisches Zeugnis eher zweifelhaft, weil Goethes Bearbeitung der Quellen über die Faktizität hinausgeht (1997: 378–379). Seine Darstellungsweise der historischen Ereignisse ist poetisch und fiktiv. Daher schläg K.-D. Müller vor, dass dieses Werk von Goethe als „autobiographisches Zeugnis“ (1990: 115) gelesen werden muss, das die Zeitverhältnisse und das Wechselspiel zwischen dem Menschen und dem Jahrhundert zeigt. Als sich Goethe zwischen 1820 und 1822 an die Kriegsereignisse von 1792 und 1793 erinnert, hat er schon die wechselvolle geschichtliche Entwicklung von der frühen Revolutionszeit bis zu seiner Gegenwart vor Augen. Das alte monarchische Europa stößt auf die Kräfte der Revolution und unterdrückt ihren Auftrieb mit gewaltsamen Maßnahmen, wobei sich die Revolutionären gegen die Unterdrückung.

(2) 154 外國語文研究第七期. heftig wehren. Seit dem Ausbruch der Französischen Revolution beginnt in der europäischen Weltgeschichte ein neues Zeitalter von Umwälzungen und Kriegen. Das Scheitern des Feldzugs in Frankreich 1792 symbolisiert den Untergang der alten Monarchie und ein neues Kapitel der Geschichte. So schreibt Goethe in Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz in Bezug auf die Folge der Kanonade von Valmy:. Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnte sagen, ihr seid dabei gewesen ( 235). 1. Mit der „neuen Epoche“ wird die alte Ordnung gebrochen und die neue aufgestellt, wobei die Formierung einer neuen Weltordnung auch Unsicherheit bringt. Der Mensch wird gezwungen, unter den neuen Zeitverhältnissen sich anders zu verhalten. Diese gegenseitigen Beziehungen zwischen dem Menschen und seiner Zeit sieht man in der autobiographischen Schrift von Goethe, die eine wechselseitige Spiegelung von Individuum und Weltgeschichte darstellt. Mit dieser Ansicht wird in der vorliegenden Arbeit versucht, bezüglich der Darstellungen in Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz zu zeigen, wie sich Goethe in den sich wandelden Zeitverhältnissn bemüht, seine Dichteridentität zu bewahren und wie er sich für diese Bemühung verändert.. 2. Die Darstellungsweise des Kriegserlebnisses Es herrscht eine Kontrastierung verschiedener Arten in Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz, welche als Hauptprinzip der Darstellungsweise gilt. Am auffälligsten erkennt man sie an der formalen Struktur, denn die Autobiographie teilt sich in zwei Teile auf, in denen zwei unterschiedliche Darstellungsformen zu sehen sind. Für den ersten Teil von Campagne in Frankreich wählt Goethe die Tagebuchform. Darin geht es um die Erlebnisse bei dem Feldzug in Frankreich 1792, die von Leid und Furcht geprägt sind. Es fällt Goethe schwer, die Kriegserlebnisse 1. Die Zitate von Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz werden aus der Hamburger Ausgabe entnommen, wenn nichts Anderes vermerkt ist..

(3) 歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 155. darzustellen, weil er ihre „augenblickliche Gewaltsamkeit nicht beschreiben, nicht einmal in der Einbildungskraft zurückrufen kann“ (230). Um die Feldzugerlebnisse darstellen zu können, braucht Goethe eine Art Erzählweise und –haltung, mit der das Erzählte das Wesentliche des Krieges von 1792 widerspiegelt und gleichsam erträglich zu lesen ist. Dazu bedient er sich der Tagebuchform, in der die historischen Ereignisse in chronologischer Folge erzählt und verschiedene Erfahrungen und Erlebnisse zusammengefasst dargestellt werden. Somit erfährt der Leser, wie man unter dem Krieg leidet, wie Goethe es in seiner Autobiographie unter dem Datum „Den 3. Oktober“ darstellt:. Morgens um sechs Uhr verließen wir diesen Platz, zogen über eine Anhöhe nach Grandpré zu und trafen daselbst die Armee gelagert. Dort gab es neues Übel und neue Sorgen; das Schloß war zum Krankenhause umgebildet und schon mit mehrern hundert Unglücklichen belegt, denen man nicht helfen, sie nicht erquicken konnte. Man zog mit Scheu vorüber und mußte sie der Menschlichkeit des Feindes überlassen (254).. Hier stellt Goethe direkt dar, was er sieht. Zu lesen sind nur kühle und sachliche Beschreibungen über das Übel und die Grausamkeit wegen des Krieges. Dadurch wird eine Unmittelbarkeit der Kriegserfahrungen vermittelt. Eine solche Vermittlung zielt darauf ab, das Vergangene erneut erkannt zu werden, wie Goethe es in der Zwischenrede von Campagne in Frankreich schreibt:. (. . .), denn wo Tag für Tag das Bedeutendste vor unsern Augen vorgeht, wenn wir mit so viel Tausenden leiden und fürchten und nur furchtsam hoffen, dann hat die Gegenwart ihren entschiedenen Wert, und, Schritt vor Schritt vorgetragen, erneut sie das Vergangene, in dem sie auf die Zukunft hindeutet (306–307).. Beim Schreiben der Autobiographie zwischen 1820 und 1822 wendet Goethe die.

(4) 156 外國語文研究第七期. Tagebuchform an, um seine Kriegserlebnisse von 1792 bis 1793 „Schritt vor Schritt“ vorzutragen. Indem Goethe seine Kriegserlebnisse in der Vergangenheit mittels der Autobiographie darstellt, entsteht eine Art Gegenwart, die beim Lesen der Autobiographie zustande kommt. Vor allem hat diese Gegenwart „ihren entschiedenen Wert“, wenn sich das Lesen der Autobiographie in der Zukunft vollzieht, denn es geht darum, ein bedeutungsvolles Ereignis in der Vergangenheit „in seiner völligen Wirklichkeit“ (254) darzustellen, so dass es möglich ist, dass dieses für die spätere Zeit vergegenwärtigt werden kann. Im Gegensatz zum ersten Teil besteht die formale Struktur im zweiten Teil von Campagne in Frankreich in keiner Tagebuchform mehr, denn der Ort der Darstellung ist nicht der Feldzug, sondern der Freundenkreis oder bekannte und freundliche Gesellschaften. Hier tauchen die Äußerungen innerlicher Zustände auf. Die vergangenen Ereignisse werden aus der Überschau erzählt. Der Erzähler fasst die zusammengehörigen Erfahrungen zusammen, und Rückblenden sind auch eingeschaltet. Einer der „geselligen Zirkeln“ (307), die im zweiten Teil von Campagne in Frankreich dargestellt werden, ist die Gesellschaft bei der Fürstin Gallitzin 2 in Münster. Dort hat Goethe die „geistreichste, herzlichste Unterhaltung“ (337) und erfährt das große Glück:. In einer solchen zarten Umgebung wär’ es nicht möglich gewesen, herb oder unfreundlich zu sein; im Gegenteil fühlt’ ich mich milder als seit langer Zeit, und es hätte mir wohl kein größeres Glück begegnen können, als daß ich nach dem schrecklichen Kriegs- und Fluchtwesen endlich wieder fromme menschliche Sitte auf mich einwirken fühlte (344).. 2. Gemeint ist Adelheid Amalia Fürstin von Gallitzin, geboren Gräfin von Schmettau, 1748–1806. Im Jahre 1779 zieht sie von ihrem Landhaus in der Nähe von Den Haag nach Münster, weil sie angezogen ist von der neuen Schulordnung Fürstenbergs, der zu dieser Zeit Dormherr und Staatmann in Münster ist. Seitdem bildet sich ein Kreis um sie und Fürstenberg, der zum Zentrum von Geistlichen, Philosophen, Künstlern, Schriftstellern wird. Dort bemüht man sich, einerseits die katholische Frömmigkeit zu erneuern und zu vertiefen und andererseits einen offenen Raum für Wissenschaft und Kunst zu eröffnen. Näheres siehe die Anmerkungen vom Band 10 der Hamburger Ausgabe von Goethes Werke , S. 707–709..

(5) 歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 157. Die „zarte[] Umgebung“ macht es möglich, dass Goethe sich über seine innerlichen Zustände äußert. Seine Gefühle von mild und glücklich, die während seines Aufenthalts bei der Fürstin entstehen, stehen dem Leidvollen und dem Schrecklichen seiner Kriegserfahrungen gegenüber. In einer Gesellschaft wie der bei der Fürstsin, wo „geistliche Männer von Sinn und Vestand, heranstrebende Junglinge, wohlgestaltet und wohlerzogen, an Geist und Gesinnung vielversprechend (. . .) gegenwärtig“ (343) sind, werden auch die sittliche Besinnung und die Auseinandersetzung mit der Glaubensbekenntnis ermöglicht. Daher beteiligt sich Goethe während seines Aufenthalts bei der Fürstin an den „römischen Kirchenfeste[n], Karwoche und Ostern, Frohleichnam und Peter Paul“ (343). Er ist in der Umgebung bei der Fürstin so eingelebt, dass er gefragt wird, ob er „wirklich katholisch sei“ (344). Jedoch wird Goethe nicht zum frommen Gläubigen. Er verhält sich nur so, als ob er sich zum Katholizismus bekennen würde. Dieses scheinbar fromme Verhalten begründet er wie folgt:. Ich stelle mich nicht fromm, ich bin es am rechten Orte, mir fällt nicht schwer, mit einem klaren, unschuldigen Blick alle Zustände zu beachten und sie wieder auch ebenso rein darzustellen (344).. Kurz vor dem obigen Zitat leugnet Goethe nicht, dass er weiß, sich „so fromm zu stellen“, so dass mann ihn „für religiös, ja für katholisch halten könne“ (344). Hier rechtfertigt er sich, indem er behauptet, er stelle sich nicht fromm. Er wird als ein frommer Mensch gesehen, weil er „am rechten Orte“ ist. Die „zarte Umgebung“ und die Gesellschaft von geistlichen Männern bei der Fürstin wirken auf ihn in sittlicher Hinsicht ein und bewegt ihn dazu, sich fromm und religiös zu verhalten. Sein frommes Verhalten ist eigentlich ein Schein, denn er eignet sich das an, was die Umgebung bei der Fürstin zu beobachten ist. Daraus ergibt sich Goethes frommes Verhalten, das nicht als Ausdruck der Religiösität zu sehen ist, sondern als Äußerung seiner innerlichen Zustände, denn er meint, dass ihm „kein größeres Glück begegnen“ könne, als dass er bei der Fürstin „fromme menschliche Sitte auf [ihn].

(6) 158 外國語文研究第七期. einwirken“ (344) fühle. In diesem Sinne schreibt Goethe in der Zwischenrede von Campagne in Frankreich:. Was aber in geselligen Zirkeln sich ereignet, kann nur aus einer sittlichen Folge der Äußerungen innerlicher Zustände begriffen werden (307).. Die Darstellung des Aufenthalts bei der Fürstin zeigt genau, was „in geselligen Zirkeln sich ereignet“. Die sittliche Einwirkung des geselligen Zirkels bei der Fürstin auf Goethe hat die Folge, dass Goethe ein großes Glück erfährt, indem er in der Umgebug der Fürstin so eingelebt ist, dass er sich auch fromm verhält. Aber dieses fromme Verhalten ist weniger als Ausdruck der Religiosität denn als Äußerung seiner innerlichen Zustände zu verstehen. In dem Unterschied der Darstellungsformen zeigt sich der inhaltliche Kontrast der Autobiographie zwischen Krieg und Frieden bzw. zwischen Grausamkeit und Sittlichkeit. Das formale Merkmal in Campagne in Frankreich, dass mit dem Ortswechsel sich die Darstellungsform ändert, ist auch in Belagerung von Mainz zu sehen. Das Kapitel Lücke in Belagerung von Mainz fungiert als eine Zäsur wie die Zwischenrede in Campagne in Frankreich. Die Kriegserfahrungen werden auch in der Tagebuchform dargestellt. Die Darstellungen der historischen Ereignisse werden an manchen Stellen sogar auf die knappe Wiedergabe verkürzt wie es im Folgenden zu sehen ist:. Den 1. Juli war die dritte Parallele in Tätigkeit und so gleich die Bocksbatterie bombadiert. Den 2. Juli. Bombardement der Zitadelle und Karlsschanze. Den 3. Juli. Neuer Brand in der Sankt-Sebastians-Kapelle; benachbarte Häuser und Paläste gehen in Flammen auf (381).. Nach den Darstellungen des Krieges tauchen im zweiten Teil von Belagerung von Mainz die Reflexionen über die Kriegserlebnisse und die Szenen des Besuches.

(7) 歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 159. bei Freunden auf. Eine von diesen ist Goethes Reflexion über den negativen Einfluss des Krieges auf ihn, als er seinen Schwager und Jugendfreund Schlosser in Heidelberg besucht:. Mir aber machte es den unangenehmsten Eindruck, daß ich, aus dem schrecklichsten Kriegszustand wieder ins ruhige Privatleben zurückkehrend, nicht einmal hoffen sollte auf eine friedliche Teilnahme an einem Unternehmen, das mich so sehr beschäftigte, und das ich der ganzen Welt nützlich und interessant wähnt (399).. In dieser Reflexion äußert sich Goethe über die negative Folge des Krieges, die ihn persönlich betrifft. Er fände keine Begeisterung und hielte sich zurück, wenn ihm die Idee über „eine friedliche Teilnahme an einem Unternehmen“ einmal vorkommen würde, da er gerade „aus dem schrekclichsten Kriegszustand“ zur friedlichen Gesellschaft der Freunde zurückkommt. Dies deutet an, dass der Krieg zur Behinderung wird, die Goethe davon abhält, an den Tätigkeiten teilzunehmen, die ihn vielleicht interessieren können. Trotz des Unterschiedes der Darstellungsform soll die ganze autobiographische Schrift einheitlich betrachtet werden, denn die mit den unterschiedlichen Formen dargestellten Teile beziehen sich aufeinander. Was um die persönlichen Reflexionen im zweiten Teil geht, ist auf den Krieg bzw. die Weltgeschichte bezogen, und die weltgeschichtliche Ereignisse betreffen auch die persönlich-lebensgeschichtliche Sphäre. Auch sind Campagne in Frankreich und Belagerung von Mainz nicht getrennt zu lesen. Man erkennt den Anknüpfungspunkt daran , dass Campagne in Frankreich mit der Hindeutung auf die „Umzingelung von Mainz“ und die „Aufforderung, mich an Ort und Stelle zu zeigen“ (362) endet. Überdies soll Belagerung von Mainz als „Nachspiel oder eine gesteigerte Wiederholung“ (Wild, 1986: 751) von Campagne in Frankreich betrachtet werden, denn beide Kriege sind die Folge der Französischen Revolution, aber mit dem Unterschied, dass der Feldzug 1792 weit weg in Frankreich geschieht, während die Belagerung von Mainz 1793 in einer deutschen Stadt.

(8) 160 外國語文研究第七期. stattfindet, die nahe an Goethes Heimatstadt Frankfurt am Main ist. Die Tatsache, dass die Grausamkeit der Revolution und des Krieges auch in einer deutschen Stadt passiert, deutet die Unvermeidbarkeit des revolutionären Weltlaufs in Deutschland an. Daher ist die Darstellung der Belagerung auch als eine Widerspeigelung Goethes Betroffenheit von der verheerenden Auswirkung der Revolution auf seine deutsche Heimat zu betrachten. Neben dem formalen Unterschied sieht man auch die indirekte Schreibweise als Darstellungsprinzip in Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz. Als Goethe 1820 seine Kriegserlebnisse in den Jahren 1792/93 autobiographisch darzustellen anfängt, sind schon dreißig Jahre vergangen. Der lange Zeitabstand erschwert seine Abfassung der autobiographischen Schrift trotz des intensiven Quellenstudiums. Während dieser dreißig Jahre gelangt die Welt wegen der Revolution schon in eine Umwälzung. Deswegen unterscheiden sich der Erlebnishorizont von 1792/93 und der gegenwärtige Zustand von 1820 voneinander. Auch der Standpunkt des Autobiographen von 1820 ist nicht identisch mit dem des Ich-Erzählers, denn der Autobiograph ist derjenige, der die Kriegserlebnisse von 1792/93 nach seiner eigenen Perspektive darstellt, während der Ich-Erzähler „das Geschichtsbewußtsein und den Erfahrungsstand von 1792/93 (. . .) repräsentiert“ (Horn, 1981: 234). Man muss auch Rechnung tragen, dass Goethe noch ein Mitglied der Weimarer Regierung ist, obwohl er kein Amt in der Öffentlichkeit besitzt, als er sich entschließt, das Geschehen von 1792/93 zu erzählen. Seine Darstellung in Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz könnte als eine offizielle Stellungnahme der Weimarer Regierung verstanden werden, deren Chef als preußischer General an dem Feldzug teilgenommen hat. Vor diesem Hintergrund gerät Goethe in ein Dilemma, denn er muss Rücksicht auf aktuelle politische Situationen und Persönlichkeiten nehmen. Dieses Dilemma lässt er in Campagne in Frankreich durch eine andere Figur ausdrücken:. Was er schreiben dürfte, mag er nicht schreiben, und was er schreiben möchte, wird er nicht schreiben (288)..

(9) 歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 161. Aufgrund des Bewusstseins der unterschiedlichen Standpunkte von dem Autor-Goethe und dem Ich-Erzähler-Goethe und auch wegen des oben genannten Dilemmas wird die Autobiographie mit der Strategie der indirekten Schreibweise verfasst. Die indirekte Schreibweise wird in der Autobiographie am deutlichsten durch die distanzierte Erzählhaltung hervorgehoben. Die Distanz lässt sich daran erkennen, dass Goethe direkte Parteinahme vermeidet und das Geschehen durch sich selbst sprechen lässt. Schon am Anfang von Campagne in Frankreich, unter dem Datum 23. August 1792, werden zwei Episoden von dem Ich-Erzähler-Goethe vermerkt, die die distanzierte Erzählhaltung verdeutlichen können. Die erste ist der Besuch bei Herrn von Stein dem Älteren, der, nach Goethes Worten, „sich im Haß gegen alles Revolutionäre gewaltsam auszeichnet“ (188). Dort ist eine Gesellschaft französischer Adligen und Emigranten, die den Wunsch haben, möglichst schnell in die Heimat zurückzukehren und von den Assignaten noch üppiger leben zu können. Wenig später wird beschrieben, dass Goethe noch zwei Abende mit den Freunden Sömmering, Huber und den Forsters verbringt, wobei die Freunde ihre republikanische Gesinnungen nicht leugnen. Durch diese zwei Episoden werden die Parteien von Antirevolutionären und Revolutionären gegenübergestellt. Der Leser erfährt etwas über die Geisteshaltung beider Gruppen, über deren Verhältnis zur Revolution und zu dem Krieg. Aber von der Stellungnahme des Erzählers wird kaum berichtet. Der IchErzähler verhält sich zu beiden Parteien distanziert. Er „beobachtet und kommentiert, ohne sich selbst als handeldes Subjekt zu zeigen“ (Horn, 1981: 234). Diese distanzierte Erzählhaltung ist besonders deutlich bei den Feldzugbeschreibungen zu sehen. Im Vordergurnd der Beschreibungen steht die unmittelbaren oder realistischen Darstellung der Kriegserlebnisse, in denen innere Zustände eines bestimmten Individuums kaum zu sehen sind. Der Erzähler der Autobiographie stellt die bloßen Tatsachen dar:. Nun aber sahen wir über Hügel und Tal des Königes Majestät sich eilig zu Pferde bewegend, wie den Kern eines Kometen von einem langen, schweifartigen Gefolge begleitet. Kaum war jedoch dieses Phänomen mit Blitzesschnelle.

(10) 162 外國語文研究第七期. vor uns vorbeigeschwunden, als ein zweites, von einer andern Seite, den Hügel krönte oder das Tal erfüllte. Es war der Herrzog von Braunschweig, der Elemente gleicher Art an und nach sich zog. Wir nun, obgleich mehr zur Beobachtung als zum Beurteilen geneigt, konnten doch der Beobachtung nicht ausweichen, welche von beiden Gewalten denn eigentlich die obere sei? Welche wohl im zweifelhaften Falle zu entscheiden haben? Unbeantwortete Fragen, die uns nur Zweifel und Bedenklichkeiten zurückließen (199).. Hier sieht man eine objektive Darstellung, in der sich zwei alliierte Heerführer mitten im Krieg nicht einstimmen können. Es ist ein Verfahren der Objektivierung, mit dem der Ich-Erzähler seine eigene subjektive Meinung hinter dem Ereignis verschwinden lässt. Jedoch heißt es nicht, dass es keine subjektive Intention des Erzählers gibt. Im Gegenteil erhebt der Erzähler gerade durch das Verfahren der Objektivierung das erzählte Ereignis zum Gegenstand der Diskussion, wodurch der Grund des Scheiterns des Feldzuges, nämlich die Nichteinstimmigkeit zweier alliierten Heerführungen, indirekt angedeutet wird. Ein anderes Beispiel der distanzierten Erzählhaltung ist die Darstellung des Rückzugs der alliierten Armeen aus dem Feldzug:. (...); der König und sein Generalstab ritt von weiten her, hielt an der Brücke eine Zeitlang stille, als wenn er sich’s noch einmal übsehen und überdenken wollte; zog dann aber am Ende den Weg aller der Seinen. Eben so erschien der Herzog von Braunschweig an der andern Brücke, zauderte und ritt herüber (254).. In dieser Darstellung ist keine direkte subjektive Äußerung des Ich-Erzählers zu sehen. Zu sehen ist nur, was bei dem Rückzug passiert. Die Stille und das Zaudern bei den Heerführern deuten an, dass der Mut und der Kampfgeist der alliierten Heerführer wegen des Scheiterns des Feldzugs verschwunden sind. Zwar werden die innerlichen Zustände der dargestellten Personen nicht direkt beschrieben, jedoch ist ihr Gefühl der Niedergeschlagenheit deutlich erkennbar, indem Goethe ihr äußerliches Verhalten.

(11) 歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 163. mit Distanz und auf beobachtende Weise zeigt. In einem früheren autobiographischen Schema zum Jahr 1792 notiert Goethe:. Schwer zu entziffernde Komplikation innerer Geistesverhältnisse und äußerer zudringenden Umstände. Auf Kunst und Natur drang ich los als auf Objekte, suchte nach Begriffen von beiden. Zerstörte alle Sentimentalität in mir und litt also Schaden am nahverwandten Sittlich-Ideellen. Neigte mich in solcher Hinsicht ganz zu einem strengen Realismus (668).. In diesen Notizen bringt Goethe die Kompliziertheit seiner innerlichen Zustände wegen der Kriegserlebnisse von 1792 und die Änderungen in Bezug sowohl auf seine Kunst- und Naturbetrachtung als auch auf den Stil seines literarischen Schreibens zum Ausdruck. Diese Änderungen und die „Komplikation innerer Geistesverhältnisse und äußerer zudringenden Umstände“ führen dazu, dass sich Goethe in Bereichen der schriftstellerischen Tätigkeit, der Kunst- und Naturbetrachtung sowie hinsichtlich der Weltanschauung zu „einem strengen Realismus“ neigt. Im Zusammenhang mit Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz wird diese Neigung zum „strengen Realismus“ durch die Tagebuchform und die indirekte Schreibweise mit der distanzierten Erzählhaltung gekennzeichnet, obwohl es nicht auszuschließen ist, dass das Dargestellte in der Autobiographie auf der erzählerisch-texteullen Ebene fingiert werden kann (vgl. Saine, 1984: 534–546). Mit den erwähnten Merkmalen der Darstellungsweise und -form ist es plausibel, dass Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz auch als eine Realisierung Goethes geänderten literarischen Stils, nämlich des „strengen Realismus“, zu betrachten ist. Welche Auswirkung dieser Realismus auf Goethes Umgang mit seinen alten Freunden und Bekannten hat und wie er für Goethes literarische Arbeit zu bedeuten sein kann, wird noch in den folgenden Abschnitten behandelt.. 3. Die Notwendigkeit der Veränderung eines Individuums.

(12) 164 外國語文研究第七期. Die Entwicklung der Weltgeschichte ist Goethes Ansicht nach wegen der Revolution und des Krieges mehr und mehr durch Gewalt und Elend geprägt, wenn er in der Autobiographie meint, „die Welt [erscheine ] mir blutiger und blutdürstiger als jemals“ (359). Der Prozess der Geschichte wird zum Geschehen von Chaos und Zerstörung. Jedoch bedarf das Leben eines Menschen der Stabilität, der Sicherheit und der Ordnung. Über diesen Gegensatz zwischen der Entwicklung der Geschichte und dem Lebensbedarf des Menschen schreibt Goethe in Campagne in Frankreich:. So zwischen Ordnung und Unordnung, zwischen Erhalten und Verderben, zwischen Rauben und Bezahlen lebte man immer hin, und dies mag es wohl sein, was der Krieg für das Gemüt eigentlich verderblich macht (213–214).. Wenn die Entwicklung der Geschichte, die von Chaos und Zerstörung geprägt ist, dem Lebensbedarf des Menschen nicht entspricht, muß man in der Spannung leben „zwischen Ordnung und Unordnung“ sowie „zwischen Erhalten und Verderben“. Die sich aus der Revolution und dem Krieg ergebenden Zeitverhältnisse der Umwälzung bieten keinen soliden Grund an, auf dem man glücklich leben und sich gut entwickeln kann. Sie verschlechtern sogar das Gemüt des Menschen, denn die kriegerischen Zeitverhältnisse der Revolution wirken auf die Entwicklung eines Individuums so stark ein, dass man sich immer wieder verändern muss. In diesem Sinne meint Goethe in der Autobiographie, „man spiel[e] den Kühnen, Zerstörenden, dann wieder den Sanften, Belebenden“ (214). Genau die Unvermeidbarkeit der mehrmaligen Änderung, die auf die kriegerischen Zeitverhältnisse zurückzuführen ist, macht „das Gemüt eigentlich verberblich“. Dies deutet an, dass eine wechselseitige Beziehung von der Entwicklung des Indivduums und den Zeitverhältnissen bzw. der Weltgeschichte besteht. Mit der Veränderung der Zeitverhältnissen verändert sich auch das in diesen Zeitverhältnissen lebende Individuum. In der Autobiographie lässt sich die Reflexion über diese wechselseitige Beziehung deutlich im zweiten Teil von Campagne in Frankreich erkennen, in dem Goethe die Rückkehr von dem Feldzug in Frankreich zu seinem ruhigen Privatleben be-.

(13) 歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 165. schreibt. Die erste Station seiner Rückkehr zum Privatleben ist der Besuch bei Jocobi 3 . Die Darstellung dieses Besuches in der Autobiographie zeigt vor allem, dass Goethe sich bewusst ist, dass er sich seit Jahren, besonders durch die Kriegserlebnisse, verändert hat:. Ich war jenen Freunden seit vielen Jahren nicht zusammengekommen, sie hatten sich getreu an ihrem Lebensgange gehalten, dagegen mir das wunderbare Los beschieden war, durch manche Stufen der Prüfung, des Tuns und Duldens durchzugehen, so daß ich, in eben der Person beharrend, ein ganz anderer Mensch geworden, meinen alten Freunden fast unkenntlich auftrat (307).. Diese Darstellung zeigt, dass sich Goethe wegen mancher besonderen Erfahrungen und Erlebnisse in verschiedenen Lebensstadien äußerlich verändert hat, so dass er für die Freunde „fast unkenntlich“ erscheint. Dies ist auch ein Hinweis darauf, dass Goethe wegen seiner Veränderung bei den Freunden anders und fremd wirkt. Das Anders- und Fremdsein in dem Freundenkreis wird vor allem dadurch abgezeichnet, dass die Freunde kein Verständnis haben für die veränderten innerlichen Zustände Goethes und den mit ihnen verwandten literarischen Stil des Realismus. In der Autogioraphie wird dies dadurch gezeigt, dass während der Unterhaltungen in dem Freundenkreis bei Jacobi die Freunde „nicht sonderlich [erbaut]“ sind, als Goethes „Realismus zum Vorschein [kommt]“ (310). Ähnliches geschieht bei der Vorlesung seines neu geschriebenen Werkes vor den Freunden. Dabei wird er der Reaktion des Publikums gewahr, dass „niemand davon erbaut sei“ (310). Statt Goethes veränderte innerliche Zustände zu verstehen, versuchen die Freunde noch, frühere Gefühle durch seine älteren Arbeiten wieder hervorzurufen, indem sie ihn um die Vorlesung eines früheren Werkes bitten. Aber Goethe ist nicht wohl zumute, es vorzutragen, weil er 3. Gemeint ist Friedrich Heinrich Jacobi, 1743–1819. Er ist in Düselldorf geboren und seit 1772 als Mitglied der Hofkammer von Jülich-Berg tätig. Neben diesem Beamtenberuf beschäftigt er sich intensiv mit literarisch-philosophischen Studien. Von ihm erscheinen zwei Romane, Allwill (1775) und Woldemar (1777). Die persönliche Beziehung zwischen Goethe und Jacobi ist sehr freundschaftlich, aber es besteht eine Spannung zwischen ihnen in Bezug auf die literarisch-künstlerischen Ansichten. Näheres siehe die Anmerkungen vom Band 10 der Hamburger Ausgabe von Goethes Werke, S. 579–581..

(14) 166 外國語文研究第七期. sich „dem zarten Sinn entfremdet fühlt[]“ (311). Die früheren Gefühle sind ihm nicht mehr nachvollziehbar. Der Realismus, mit dem er in der Lage ist, sich literarisch auszudrücken, findet aber keine positive Resonanz. Der neue Stil bleibt den Freunden „meist ein Geheimnis“ (313). Ebenso wenig positiv ist die Reaktion der Freunde auf seine Naturbetrachtungen, die einer der Gründe ist, auf die Goethes Wendung zum Realismus in der literarischen Arbeit zurückzuführen ist. Den Freunden ist diese Änderung unverständlich:. Mit meinen Naturbetrachtungen wollte es mir kaum besser glücken; die ernstliche Leidenschaft, womit ich diesem Geschäft nachhing, konnte niemand begreifen, niemand sah, wie sie aus meinem Innersten entsprang (313).. Die Freunde halten Goethes Beschäftigung mit den Naturbetrachtungen als einen „grillenhaften Irrtum“ (313). Jedoch ist Goethe die Zeit des Gefühlvollen und des Empfindsamen schon abgeschlossen, in der er noch ein junger Mann mit wenigen Lebenserfahrungen ist. Seine Naturbetrachtungen sind ein Zeichen dafür, dass er sich von den früheren Weltansichten verabschiedet hat. Dies können die Freunde nicht verstehen, denn sie hängen noch der alten Zeit an. Sie möchten, dass sich Goethe wieder ihrer Denkweise, die seit langem derselben bleibt, anschließt:. (. . .); ihrer Meinung nach konnte ich was Besseres tun und meinem Talent die alte Richtung lassen und geben. Sie glaubten sich hiezu um desto mehr berechtigt, als meine Denkweise sich an die ihrige nicht anschloß, vielmehr in den meisten Punkten gerade das Gegenteil aussprach. Man kann sich keinen isolierten Menschen denken, als ich damals war und lange Zeit blieb (313).. Eine Spannung der neuen und alten Denkweise herrscht zwischen Goethe und seinen Freunden. Die Gesinnungen und Weltanschauungen Goethes unterscheiden sich von denen der Freunde. Diese Unstimmigkeiten führen dazu, dass sich Goethe isoliert fühlt..

(15) 歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 167. Trotz des Gefühls, nicht verstanden zu werden, ist die Episode des Besuches bei Jocobi in Pempelfort für Goethe ein „freundschaftliches Denkmal für die große Zeit des Jacobihauses“ (Loos u. Trunz, 1981: 668). Goethe bezeichnet das Jacobihaus in der Autobiographie als „ein freistehendes geräumiges Haus, in der Nachbarschaft von weitläufigen wohlgehaltenen Gärten, im Sommer ein Paradies, auch im Winter höchst erfreulich“ (315–316). Das Haus wird beschrieben als ein geselliges Zentrum im außerordentlich weiten Spektrum von Künstlern, Schriftstellern und Philosophen. Goethe beschreibt seinen Aufenthalt dort als „wundersame Zeit, die man kaum wieder vergegenwärtigen könnte“ (312). Von dem Zeitpunkt der Abfassung der Autobiographie zwischen 1820 und 1822 her hat die Darstellung des Besuches bei Jacobi in Pempelfort ihren aktuellen Anlaß, nämlich den Tod Jacobis 1819 und die Veröffentlichung seiner sämtlichen Werke, in denen sich das Bild seiner Persönlichkeit und seine Schrifte als Ganzes abzeichnen. Es liegt nahe, dass Goethe in diesem Zusammenhang mit der Schilderung des Besuches bei Jacobi „sein Verhältnis zu Jacobi zusammenschauend zu deuten“ (Loos u. Trunz, 1981: 667) versucht. Überdies hat der Aufenthalt bei Jacobi im November 1792 für Goethe eine besondere Bedeutung. Vor dem historischen Hintergrund, dass Jacobi 1792 vor der französischen Besetzung nach Holstein flüchten muss, ist es anzunehmen, dass Goethe durch die Darstellung des Besuches bei Jacobi der großen Zeit des Jacobihauses gedenken möchte, die nach seinem damaligen Besuch bald zu Ende gehen muss. Unverkennbar ist in diesem Zusammenhang, dass es der Krieg ist, der ein geselliges Zentrum mit ungewöhnlicher Erscheinung auslöst, und der Krieg ist auch ein wichtiger Hintergrund, dass Goethe sich bei den Freunden in Pempelfort isoliert fühlt. Dadurch lässt sich die gravierende Einwirkung der kriegerischen Zeitverhältnisse auf den Menschen erkennen. In der Darstellung des Besuches bei Jacobi zeigt Goethe, dass seine Freunde noch nicht in der Lage sind, auf die neuen Zeitverhältnisse zu reagieren, die ein Umdenken erfordern. Während Goethe sich bewusst ist, dass er schon „ein ganz anderer Mensch gewesen“ ist, halten sich die Freunde „noch an ihrem Lebensgange“. Daher muss Goethe allein seinen neuen Weg gehen, weil seine Veränderung und seine.

(16) 168 外國語文研究第七期. Wendung zum Realismus in der literarischen Arbeit kaum von den Freunden akzeptiert werden. Jedoch ist diese Veränderung die notwendige Voraussetzung für den Aufbruch in eine neue produktive Phase der literarischen Arbeit. Dies verdeutlicht Goethe in der Darstellung seiner Begegnung mit Plessing 4 in der Autobiographie:. Er hatte von der Außenwelt niemals Kenntnis genommen, dagegen sich durch Lektüre mannigfaltig ausgebildet, alle seine Kraft und Neigung aber nach innen gewendet und sich auf diese Weise, da er in der Tiefe seines Lebens kein produktives Talent fand, so gut als zugrunde gerichtet (331).. Plessing wird beschrieben als ein hypochondrischer Gelehrter, der sich von der Außenwelt eigensinnig abschließt und in seiner Einsamkeit und in einem „sentimental-romanhaften Verhältnis“ (321) quält. Auf diese Lebensweise kann er kein „produktives Talent“ finden. Plessing gehört zu der Generation, die in einer glücklich-friedlichen Zeit aufwächst und Goethes Werther-Roman schwärmerisch rezipiert. Zu dieser Generation und zu der guten Zeit, die sie verlebt hat, ist in der Autobiographie zu lesen:. „Werther“, bei seinem Erscheinen in Deutschland, hatte keineswegs, wie man ihm vorwarf, eine Krankheit, ein Fieber erregt, sondern nur das Übel aufgedeckt, das in jungen Gemütern verborgen lag. Während eines langen und glücklichen Friedens hatte sich eine literarisch-ästhetische Ausbildung auf deutschem Grund und Boden, innerhalb der Nationalsprache, auf das schönste entwickelt; doch gesellte sich bald, weil der Bezug nur aufs Innere ging, eine gewisse Sentimentalität hinzu, bei deren Ursprung und Fortgang man den Einfluß von Yorick-Sterne nicht verkennen darf (. . .). Es entstand eine Art zärtlich4. Friedrich Victor Lebrecht Plessing, 1749 – 1806. Er studiert Rechtswissenschaft und Theologie. Wegen einer seelischen Krise bricht er sein Studium ab. Nach der Genesung zieht er nach Königsberg und setzt sein Studium dort fort. 1788 wird er Professor der Philosophie in Duisburg. Näheres siehe die Anmerkungen vom Band 10 der Hamburger Ausgabe von Goethes Werke, S. 703..

(17) 歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 169. leidenschaftlicher Asketik, welche (. . .) in eine leidige Selbstquälerei gewöhnlich ausarten mußte (321–322).. Plessing wächst in der Zeit „eines langen und glücklichen Friedens“ auf. In dieser Zeit entwickelt sich zwar die deutsche Literatur „auf das schönste“, jedoch bezieht sie sich nur aufs Innere, woraus „eine gewisse Sentimentalität“ entsteht, die leider in eine „Selbstquälerei“ mündet. Unter dem Einfluss des sentimentalen Zeitgeistes entsteht bei Plessing eine Art Selbstigkeit, die auch bei der Unterhaltung zwischen Goethe und Plessing erscheint:. Denn ein ernstliches Wollen sprach sich aus, ein edler Sinn und Zweck; aber obschon von den zärtlichsten Gefühlen die Rede war, blieb der Vortrag ohne Anmut, und eine ganz eigens-beschränkte Selbstigkeit tat sich kräftig hervor (331).. Um Plessing aus dem selbstquälerischen Zustand zu retten, glaubt Goethe, dass „eine rasche gläubige Wendung gegen die Natur und ihre grenzenlose Mannigfaltigkeit das beste Heilmittel sei“ (331). Aufgrund dieser Ansicht macht er den Vorschlag:. Man werde sich aus einem schmerzlichen, selbstquälerischen, düstern Seelenzustande nur durch Naturbeschauung und herzliche Teilnahme an der äußern Welt retten und befreien. Schon die allgemeinste Bekanntschaft mit der Natur, gleichviel von welcher Seite, ein tätiges Eingreifen, sei es als Gärtner oder Landbebauer, als Jäger oder Bergmann, ziehe uns von uns selbst ab; die Richtung geistiger Kräfte auf wirkliche, wahrhafte Erscheinungen gebe nach und nach das größte Behagen, Klarheit und Belehrung; wie denn der Künstler, der sich treu an der Natur halte und zugleich sein Inneres auszubilden suche, gewiß am besten fahren werde (331–332).. Die „Naturbeschauung und herzliche Teilnahme an der äußeren Welt“ sind nicht nur.

(18) 170 外國語文研究第七期. Goethes Vorschlag für Plessing, sondern auch sein Abschied von der Zeit des Gefühlvollen und des Sentimentalen in seinen jüngeren Jahren. Damit setzt eine neue Phase für sein literarisches Schaffen ein, die den neuen Zeitverhältnissen entspricht, die von den revolutionären Gesinnungen geprägt sind. Die Wendung zum Realismus bzw. die „Richtung geistiger Kräfte auf wirkliche, wahrhafte Erscheinungen“ bietet Goethe eine Alternative an, mit der er einerseits über die Beschränkung und die Unzeitmäßigkeit der frühen sentimentalen Betrachtungsweise hinausgehen und andererseits sich das „größte Behagen, Klarheit und Belehrung“ aneignen kann. Dadurch kann die Kraft seines literarischen Schaffens trotz der veränderten Zeitverhältnisse schöpferisch und produktiv bleiben und seine Identität als Dichter bewahrt werden. Mit dem Beispiel von Plessing versucht Goethe zu zeigen, dass es in den sich wandelnden Zeitverhältnissen dem Künstler bzw. dem Dichter notwendig ist, sich mit seinen alten künstlerisch-dichterischen Ansichten kritisch auseinanderzusetzen und sie den neuen Zeitverhältnissen entsprechend zu erneuern, so dass sein „produktives Talent“ nicht zugrunde geht. In der Autobiographie äußert sich Goethe über die Ansicht, dass die Welt nach dem Feldzug 1792 schon „aus ihren Fugen“ (358) ist. Unter diesen Zeitverhältnissen droht seine Dichteridentität zu verlieren, denn der Dichter kann der „rollenden Weltgeschichte nicht nacheilen“ (359). Mitten in dem Auf und Ab der Geschichte muss er sich durchdringen, sonst kommt sein dichterisches Leben zum Ende:. Übrigens läßt sich hiebei bemerken, daß in allen wichtigen politischen Fällen immer diejenigen Zuschauer am besten dran sind, welche Partei nehmen (. . .). Der Dichter aber, der seiner Natur nach unparteiisch sein und bleiben muß, sucht sich von den Zuständen beider kämpfender Teile zu durchdringen, wo er denn, wenn Vermittlung unmöglich wird, sich entschließen muß, tragisch zu endigen (361).. Die Bedrohung der Endigung des Dichterseins wegen „der tosenden Weltbewegung“ bezeichnet Goethe als „Zyklus von Tragödien“ (361). Obwohl er „seiner.

(19) 歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 171. Natur nach unparteiisch sein und bleiben“ muss, kommen die „Tragödien“ dem Dichter doch noch zu, wenn er wie Plessing mitten in der Spannung zwischen den kämpfenden Parteien im Verlauf der Geschichte sich der veränderten Zeitverhältnisse nicht bewusst ist. Wie die Freunde bei Jacobi, bemüht er sich deshalb auch um kein Verständnis über die zeitgemäßen Ansichten und Darstellungweisen der Kunst und Dichtung. Die Folge darauf ist, dass der Dichter nicht in der Lage ist, in seinem Werk das Zeitgemäße sowohl in Bezug auf den Inhalt als auch hinsichtlich des Stils der Darstellungsweise zu vermitteln. Damit geht ein dichterisches Leben zum Ende. Dies erklärt auch, dass es Goethe notwendig ist, dass er sich verändert und in seiner literarischen Arbeit zum Realismus wendet. Indem er durch seine Veränderung in eine neue Phase seines dichterischen Schaffens schreitet, kann sein dichterisches Leben die „tosende Weltbewegung“ überstehen, so dass seine Identität als Dichter nicht in den umwälzenden Zeitverhältnissen verloren gehen kann.. 4. Zusammenfassung Obwohl Goethes Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz historische Ereignisse darstellt, ist sie wegen der fehlenden Übereinstimmung mit den historischen Tatsachen als historische Quelle ungeeignet. Vielmehr ist sie als eine wechselseitige Spiegelung von Individuum und Weltgeschichte nach der Perspektive des Autobiographen Goethe zu sehen. Die Kontrastierung der Struktur und des Dargestellten, die indirekte Erzählweise und die distanzierte Erzählhaltung stellt den poetischen Wert dieser autobiographischen Schrift heraus. Funktionell dient Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz als Medium zur Selbstdarstellung, in der Goethes Bemühungen um die Rettung und Bewahrung seiner Dichteridentität in den unsicheren und kriegerischen Zeitverhältnissen direkt oder indirekt zum Ausdruckt gebracht werden..

(20) 172 外國語文研究第七期. Literaturverzeichnis Barner, Wilfried (Hg.). Unser Commercium: Goethes und Schillers Literaturpolitik. Stuttgart: Cotta, 1984. Brandt, Helmut (Hg.). Ansichten der deutschen Klassik. Berlin und Weimar: Aufbau, 1981. Goethe, Johann Wolfgang von. Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz, Hamburger Ausgabe, Bd. 10. München: C.H. Beck, 1981. Horn, Gisela. „Goethes autobiographische Schriften ‚Campagne in Frankreich’ und ‚Belagerung von Mainz’. Historische Tatsache und äshetische Struktur“. Ansichten der deutschenKlassik . Hg. Helmut Brandt und Manfred Beyer. Berlin und Weimar: Aufbau, 1981. S. 233–249. Müller, Klaus-Detlef . „Goethes ‚Campagne in Frankreich’ — Innenansicht eines Krieges“. Goethe-Jahrbuch 107(1990): 115–126. Loos, Waltraut u. Trunz, Erich . „Nachwort“. Goethe: Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz, Hamburger Ausgabe, Bd. 10. München: C.H. Beck, 1981. S.661–673. Saine, Thomas P.. „Goethes Roman ‚Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz’“. Unser Commercium: Goethes und Schillers Literaturpolitik . Hg. Wilfried Barner. Stuttgart: Cotta, 1984. S.529–558. ___ . „Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz“. Goethe-Handbuch, Bd. 3, Prosaschriften. Hg. Bernd Witte. Stuttgart und Weimar: Metzler, 1997. S. 69–385. Wild, Reiner. „Einführung und Kommentar“. Goethe: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens, Bd. 14. München: Hanser, 1986. S. 746–829. Witte, Bernd (Hg.). Goethe-Handbuch, Bd. 3, Prosaschriften. Stuttgart und Weimar: Metzler, 1997..

(21) 歌德的自傳作品《法國戰役/緬茵茲圍城》裏之作家身份維護 173. Die Bewahrung der Dichteridentität in Goethes Autobiographie Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz Shih Yen Huang ∗. Abstract Ausgehend davon, dass Goethes Autobiographie Campagne in Frankreich/Belagerung von Mainz die wechselseitige Spiegelung von Individuum und Weltgeschichte darstellt, versucht die vorliegende Arbeit zu zeigen, wie sich Goethe in den sich wandelnden Zeitverhältnissen bemüht, seine Dichteridentität zu bewahren und wie er sich für diese Bemühung verändert. Zuerst wird die Darstellungsweise der Autobiographie analysiert. Als Darstellungsprinzip gelten die Tagebuchform, die indirekte Erzählweise und die distanzierte Erzählhaltung. Diese Darstellungswiesen sind eher für die Beschreibungen der Kriegserlebnisse bestimmt. Zusätzlich zu diesen ist eine Erzählweise aus der rückblickenden Überschau, die innerliche Zustände des Autobiographen Goethe zur Äußerung bringt und als Selbstreflexion und Selbstdeutung dient. Daraufhin wird durch die Diskussionen über Goethes Besuche bei Jacobi und bei Plessing in der Autobiographie gezeigt, wie sich Goethe wegen der kriegerisch-revolutionären Zeitverhältnissen verändert hat, wie er seine Veränderung, vor allem seine Wendung zum Realismus in seiner literarischen Arbeit, begründet und wie er diese Veränderung bestätigt durch die Darstellung des Vergleiches mit den Freunden bei Jacobi und durch die Beschreibung der Begegnung mit Plessing. Schließlich zeigt die vorliegende Arbeit, dass Goethes Veränderung die notwendige Voraussetzung für den Aufbruch in eine neue produtive Phase des literarischen Schaffens ist. Dadurch entkommt Goethe der Drohung, seine Dichteridentität zu verlieren.. Key words: Goethe, Autobiography, Identity, War. ∗. Postdoctoral Research Fellow, Center for Humanities Research, National Science Council..

(22) 174 外國語文研究第七期.

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參考文獻

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